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The Big Five 2025

The Big Five – Digitalpolitische Forderungen zur Bundestagswahl 2025

LOAD Forderungskatalog zur Bundestagswahl

Die digitale Transformation verändert die Art und Weise, wie wir unser Leben führen. Dieser Wandel betrifft alle Teile der Gesellschaft und auch der Staat muss sich anpassen, um einerseits Dienstleistungen effektiv anzubieten, aber andererseits auch die digitale Transformation legislativ zu gestalten. Vor diesem Hintergrund tragen der Deutsche Bundestag und die nächste Bundesregierung viel Verantwortung, diesem Gestaltungsauftrag gerecht zu werden.

LOAD begleitet seit vielen Jahren alle Ebenen der Politik, um den digitalen Wandel der Gesellschaft konstruktiv zu unterstützen. Unsere Grundwerte sind Freiheit, Eigenverantwortung und das vorurteilsfreie Interesse an Innovationen.

Auf diesem Fundament stehen unsere Forderungen für die kommende Bundestagswahl im Februar 2025. Diese Forderungen sind eine aktualisierte Fassung unserer Forderungen von 2021 (Link), die bereits in dem vielversprechendem Ampel-Koalitonsvertrag umfangreich Eingang gefunden haben.

1. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sie dient immer dem Menschen.

Digitale Innovationen dienen immer dem Menschen, der selbstbestimmt im digitalen Raum agiert und den Umgang mit seinen Daten selbst bestimmt.

Wir fordern:

  • Datenschutz und Datensicherheit müssen bei der Entwicklung von digitalen Dienstleistungen und Produkten von Anfang an mitgedacht werden (privacy by design und security by design).
  • Die Einführung eines Digitalgrundsatzes in der Verwaltung, damit öffentliche Dienstleistungen grundsätzlich zuerst digital angeboten werden, bevor ggf. ein analoger Prozess nachgebildet wird.
  • Die priorisierte Ende-zu-Ende-Umsetzung des Once-Only-Prinzips, damit bereits vorliegende (Nachweis-)Daten von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen automatisiert zwischen öffentlichen Stellen ausgetauscht werden können.
  • Den Ausbau digitaler Möglichkeiten der politischen Partizipation, um mehr Menschen die Teilhabe an der politischen Willensbildung zu ermöglichen.
  • Die Einbeziehung der Netzgemeinde als wachsender Teil der Zivilgesellschaft in Gesetzgebungsprozesse und politische Diskussionen.

Unsere Vision ist eine Zukunft, in der bei der Entwicklung neuer Technologien und Dienste der Mensch im Zentrum steht und Innovationen einen positiven Effekt auf Einzelne und die Gesellschaft haben. Technologien werden dazu genutzt, um Arbeit entsprechend den Lebensrealitäten und -wünschen zu gestalten und Kontakte mit der Verwaltung effektiver zu gestalten. Der größtmögliche Schutz der Privatsphäre ist durch die konsequente Anwendung von Technologien wie der Ende-zu-Ende- oder der homomorphen Verschlüsselung gewährleistet. In dieser Zukunft ist sichergestellt, dass der Mensch selbstbestimmt entscheiden kann, was zu welchem Zweck mit seinen Daten geschieht. Dies umfasst auch die individuelle Entscheidung darüber, Dienste und Produkte mit Geld oder Daten zu bezahlen. Zukünftig ist es auch selbstverständlich digitale Angebote, insbesondere bei der Daseinsvorsorge, so zu gestalten, dass alle Menschen diese problem- und barrierefrei nutzen können.

Grundsätzlich gilt, dass die Grund- und Menschenrechte auch im digitalen Raum geschützt und durchgesetzt werden. Das umfasst die Wahrung der Meinungsfreiheit, die informationelle Selbstbestimmung sowie den Schutz der persönlichen, körperlichen und geistigen Freiheit. Digitalisierung ist nie Selbstzweck, sondern soll einen Mehrwert für den Einzelnen und die Gesellschaft schaffen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die öffentliche Verwaltung mit gutem Beispiel voran geht und ihre Leistungen auf dem aktuellen Stand der Technik nutzendenzentriert anbietet. Auch Menschen ohne technisches Verständnis oder materielle Möglichkeiten müssen von der Digitalisierung und digitalisierten Dienstleistungen profitieren und dürfen nicht abgehängt werden.

2. Das Internet ist ein Versprechen von Freiheit.

Die Bürgerinnen und Bürger können sich jederzeit frei im Internet bewegen, ohne dass ihr Verhalten oder ihre Kommunikation überwacht und dadurch beeinflusst werden.

Wir fordern:

  • Alle Provider von digitalen Kommunikations- und Speicherdienste müssen die Kommunikation und die gespeicherten Daten standardmäßig durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützen.
  • Die konsequente Förderung und Weiterentwicklung von Verschlüsselungstechnologien (u.a. Post-Quantum Kryptographie).
  • Der Staat muss sich für den Einsatz von quelloffenen und sicheren kryptografischen Lösungen einsetzen und alle ihm bekannten Sicherheitslücken unverzüglich an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) melden, damit diese geschlossen werden können.
  • Damit keine weiteren Interessenskonflikte entstehen, die die Sicherheit Deutschlands unterminieren, soll das BSI aus dem Geschäftsbereich des Bundesministerium des Innern herausgelöst und unabhängig werden.
  • Der Bundestag soll ein Moratorium zur Erstellung weiterer Sicherheitsgesetze beschließen. Bei der Einführung neuer Sicherheitsgesetze muss künftig die Überwachungsgesamtrechnung einbezogen werden.
  • Biometrische Massenüberwachung ist gesetzlich zu verbieten bzw. die Vorgaben des europäischen AI-Acts sind auch von den Sicherheitsbehörden konsequent umzusetzen.
  • Die Datenschutzaufsichtsbehörden müssen als unabhängige Kontrollinstanzen durch personelle und finanzielle Aufstockung gestärkt werden.

Unsere Vision ist eine Gesellschaft, in der die Vertraulichkeit digitaler Kommunikation durch ein Recht auf Verschlüsselung und eine unabhängige IT-Sicherheitsarchitektur garantiert ist. Sicherheitsgesetze werden evidenzbasiert und zeitlich begrenzt beschlossen und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit evaluiert. Durch eine Überwachungsgesamtrechnung wird das Gesamtmaß staatlicher Überwachung, dem die Bürgerinnen und Bürger ausgesetzt sind, ständig bewertet und so gering wie möglich gehalten. Die Autonomie des Individuums wird geschützt, indem die Politik das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, akzeptiert anstatt ständig neue Überwachungsbefugnisse zu schaffen.

Grundsätzlich gilt, dass nicht fortwährend neues Recht geschaffen werden sollte, sondern bestehendes Recht konsequent umgesetzt werden sollte. Die Rechtsdurchsetzung im Netz bleibt staatliche Aufgabe und darf nicht privatisiert werden. Unser Wohlstand fußt auf der ungestörten und experimentierenden Weiterentwicklung von Millionen Ideen innerhalb einer freien Gesellschaft. Diesen fundamentalen Wohlstandsmotor aus Angst immer weiter einzuschränken, schadet am Ende aufgrund der unvermeidlichen Chilling Effects jedes Sicherheitsgesetzes mehr als es nützt. Uploadfilter, Netzsperren, individuelle Zugangssperren und andere staatliche Zwangsmaßnahmen, die Zugriffe auf Dienste und Inhalte erschweren, lehnen wir ab. Durch die prinzipielle Offenheit befähigt der digitale Raum demokratische Bewegungen und ermöglicht digitale Kultur.

 3. Digitale Technologien sind Chancen für eine aufgeklärte Gesellschaft.

Gut aus- und weitergebildete Bürgerinnen und Bürger sind fähig, risikogerecht regulierte digitale Technologien als Chancen zu nutzen.

Wir fordern:

  • Digitale Technologien müssen gemäß ihrem individuellen Anwendungsrisiko reguliert werden, dies gilt insbesondere für datengetriebene oder selbstlernende Techniken (KI/AI).
  • Verpflichtenden Informatikuntericht für alle Schulformen und in allen Bundesländern, spätestens nach der Grundschule.
  • Niedrigschwellige und praxisnahe Weiterbildungen für neue Technologien für alle Lern- und Altersstufen müssen ausgebaut und gefördert werden.
  • Der Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung und in der Justiz muss diskriminierungsfrei und transparent erfolgen.
  • Automatisierte Entscheidungen über Menschen müssen durch öffentliche und einfach verständliche Angaben über die verwendeten Algorithmen nachvollziehbar sein (qualitative Algorithmentransparenz).
  • Automatisiert getroffene (nicht-triviale) Entscheidungen müssen gerichtlich überprüfbar und grundsätzlich revidierbar sein.

Unsere Vision: Lebenslanges Lernen und digitale Aufklärung werden als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Teil der Daseinsvorsorge angesehen. Das schulische, universitäre und Erwachsenen-Bildungswesen ist um digitalisierte Komponenten erweitert worden. Medien-, Daten- und Algorithmenkompetenz sind fester Bestandteil der Lehrpläne an Schulen und werden kontinuierlich an neue Entwicklungen angepasst. Betriebliche Weiterbildungen sind steuerlich begünstigt, größflächig verfügbar und durch Mikro-Zertifikate qualitätsgesichert.

Grundsätzlich gilt, dass Menschen Algorithmen als Werkzeug verwenden können und kein Werkzeug den Menschen beherrschen darf. Neue Technologien generieren vor allem dann Wohlstand für eine Gesellschaft, wenn diese die Produktivität von Arbeitskräften erhöht und nicht Menschen ersetzt. Durch die Verbreitung KI-basierter Werkzeuge in allen Lebenslagen müssen auch Lehrkräfte in der Lage sein, KI-Systeme kompetent und zielgerichtet im Unterricht zu verwenden und Schülerinnen und Schüler darauf vorzubereiten.

4. Transparenz trägt zu einer informierten Gesellschaft bei.

Die Transparenz staatlichen Handelns ist Grundvoraussetzung für informierte Entscheidungen und trägt zum Abbau von Informationsasymmetrien bei, auch im Rahmen privatrechtlicher Beziehungen.

Wir fordern:

  • Eine Veröffentlichungspflicht für durch die öffentliche Hand entwickelte Anwendungen (public money, public code) und für öffentlich geförderte wissenschaftliche Forschungsergebnisse (Open Access).
  • Eine allgemeine Veröffentlichungspflicht für öffentliche Datenbestände (Open-Data-Grundsatz).
  • Die Förderung einer Open-Data-Kultur durch öffentliche Auftragsvergaben, bei denen Open-Source-Alternativen mit einbezogen werden und die Nachnutzung produzierter Daten für die Öffentlichkeit ermöglicht wird.
  • Die Schaffung einer öffentlich betriebenen, kosten- und barrierefrei einsehbaren Datenbank, in der rechtliche Regelungen und gerichtliche Entscheidungen aller Ebenen maschinenlesbar abgerufen werden können.
  • Die Datenkompetenz und unabhängige Datenerhebung von Parlamenten müssen ausgebaut werden, sodass sich die Legislative unabhängig der Exekutive informieren und Gesetze datengestützt erarbeiten kann (Statistikhoheit)

Unsere Vision ist eine öffentliche Verwaltung, die für Bürgerinnen und Bürger transparent ist und es als ihre Pflicht begreift, ihr Handeln öffentlich darzulegen. Das Prinzip der offenen Daten ist auch im Bereich des Regierungshandelns und der Gesetzgebung (Open Government) sowie der Justiz (Open Justice) verankert. Um Abhängigkeiten zu vermeiden und als Vorreiter zur Weiterentwicklung der entsprechenden Projekte beizutragen, die der gesamten Gesellschaft dienen, setzen staatliche Stellen vermehrt auf Open Source und Open Hardware.

Grundsätzlich gilt, dass Transparenzpflichten von der Prämisse ausgehen, zum einen die Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen und somit Missbrauch vorzubeugen und zum anderen das Individuum in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen zu treffen und somit Informationsasymmetrien abzubauen. Gleichzeitig sollen Informationen und Daten, die öffentlich gefördert wurden, auch grundsätzlich gemeinfrei der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist es fundamental wichtig, die Gewaltenteilung auch in einer digitalisierten Gesellschaft aufrecht zu erhalten und alle Gewalten unabhängig voneinander zu befähigen, datengetriebene Entscheidungen zu treffen und zu überprüfen.

5. Kooperationen und Allianzen sichern das Netz der Zukunft, nicht gegenseitiges Aufrüsten.

Das Internet ist nicht das Schlachtfeld der Zukunft, sondern ist wie Atemluft, die alle Menschen rund um den Globus teilen und schützen müssen.

Wir fordern:

  • Deutschland muss in eine strikt defensive Cybersicherheitsstrategie investieren und sich auf europäischer und internationaler Ebene für die Ächtung digitaler Waffen und für strategische Autonomie im Hard- und Softwarebereich einsetzen (keine ABCD-Waffen).
  • Im globalen Systemwettbewerb müssen Demokratien als Vorbild vorangehen und gegenseitig vereinbaren, die Sicherheit nicht durch das Offenhalten von IT-Schwachstellen oder strategisches Positionieren von Schadsoftware zu gefährden.
  • Die Bundesrepublik soll den Digital Nations beitreten und sich international für die Zusammenarbeit und Weiterentwicklung digitaler Demokratien einsetzen.
  • Die Bundesregierung muss sich in der EU für die strenge Regulierung von biometrischen Technologien einsetzen, mit dem Ziel massenhafte, unzulässige Eingriffe in die Grundrechte zu verhindern.

Unsere Vision ist eine globalisierte Welt, in der digitale Technologien Menschen befähigen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Digitale Standards werden durch liberale Demokratien gesetzt und ermöglichen weltweit die freie Kommunikation und Nutzung des Internet. Es existieren Aufsichtsstrukturen zum Schutz des Internets, für die Regulierung von globalen Tech-Monopolen oder -Oligopolen und für den Einsatz möglichst diskriminierungsfreier Technologien. Europa ist technologisch unabhängig und investiert in Forschung, Entwicklung und Produktion von Schlüsseltechnologien. Insbesondere gilt dies für eine europäische Cloud-Infrastruktur, vollständig europäisch entwickelte High-Performance Computing Clusters und die Möglichkeit, neueste Halbleiterbausteine lithografisch in Europa zu produzieren.

Grundsätzlich gilt, dass "Hackbacks" oder offensive digitale Waffen die Sicherheit aller unterminieren. Cyberangriffen begegnet man, indem man ihnen keine Einfallstore bietet. Das geht nur mit höchsten Standards und der höchsten Priorität von IT-Sicherheit. Überwachung bringt keine Sicherheit, sondern langfristig nur Unterdrückung.


Stand: Februar 2025
Editoren: Dr. Burkhard Ringlein, Ruben Dieckhoff, Teresa Widlok

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons „Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International“-Lizenz. Weitere Informationen: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

  • Die ausführliche Version unserer Forderungen ist hier als 📄PDF abrufbar.
  • Informationen zu unseren Big Five zur Bundestagswahl 2021 finden sich hier.

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