Bundesinnenminister Dobrindt plant die Neuauflage des sogenannten Sicherheitspakets. Die Pläne kennen wir in Ansätzen bereits aus dem letzten Jahr von der Amtsvorgängerin Nancy Faeser und der Ampel-Regierung. Das Sicherheitspaket der Ampel scheiterte beim letzten Anlauf aber im Bundesrat, vor allem mit der Begründung, dass die Befugnisse den Ländern nicht weit genug gingen. Nun ist das Sicherheitspaket 2.0 in den Startlöchern: die Entwürfe wurden auf netzpolitik.org veröffentlicht.
Im Kern beinhaltet das Paket die Befugnisse zur biometrischen Gesichtserkennung im Internet (Internet-Rasterfahndung) sowie zur Nutzung automatisierter polizeilicher Datenanalysesoftware. Die beiden Hauptbefugnisse des Pakets sollen für das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei eingeführt werden. Da das Bundesinnenministerium parallel zugab, den bundesweiten Einsatz der Software des US-Unternehmens Palantir für die Datenanalyse zu prüfen und auch aktuell keine Alternative zu kennen scheint, wird derzeit vor allem eine „Palantir-Debatte“ bezüglich dieser Befugnis geführt.
Unsere Vorsitzende Teresa äußerte sich zu den Überwachungsplänen wie folgt:
„Natürlich müssen BKA und Bundespolizei handlungsfähig und zeitgemäß ausgestattet sein. Aber wenn es allein darum geht, große Datenmengen auszuwerten, braucht es dafür kein „Wundertool“ von Palantir. Das eigentliche Problem liegt in der Praxis oft ganz woanders. Die Datenbestände sind vielfach veraltet oder schlecht gepflegt, genau dort müsste man zuerst ansetzen. Solange nicht sichergestellt ist, dass falsche Einträge oder überholte Informationen systematisch erkannt und aussortiert werden und die Zweckbindung der Daten gewährleistet ist, bleibe ich gegenüber den Heilsversprechen solcher Softwarelösungen skeptisch.“
Zum Einsatz von Palantir oder möglichen europäischen Alternativen sagte sie:
„Der Druck aus den Ländern, in denen Palantir bereits übergangsweise eingesetzt wird, ist enorm. Das dürfte auch im Hintergrund stehen, wenn auf Bundesebene vermeintlich gesetzliche „Vorbilder“ formuliert werden. Doch auch diese Debatte darf nicht darüber hinwegtäuschen: Überwachungstechnologien werden nicht bürgerrechtskonformer oder besser, nur weil sie einen „digitale Souveränität“-Check bestehen.“
Unsere stellvertretende Vorsitzende Sabine ergänzte zur Internet-Rasterfahndung:
„Der Entwurf setzt auf biometrische Erfassung und anlasslose Massenüberwachung trotz tiefgreifender Grundrechtseingriffe und bekannter Chilling Effekte. Würden Spuren illegaler Geldströme organisierter Kriminalität, finanziert durch Drogenhandel, Waffenschmuggel oder Korruption, mit dem gleichen Ehrgeiz analysiert, wie künftig offenbar private Social-Media-Beiträge, wäre das ein realer Beitrag zur inneren Sicherheit bei geringerer Eingriffsschwelle. Warum statt digital gestützter Follow-the Money-Ermittlungen, besserer Ressourcenausstattung und dem Aufbau verknüpfter Transaktionsdatenbanken stattdessen zulasten von Bürgerrechten auf Symbolpolitik gesetzt wird, ist sicherheitspolitisch wie demokratisch nicht nachvollziehbar.“
Den gesamten Beitrag von Constanze Kurz, mit allen Zitaten und einer sehr guten Übersicht der Debatte findet ihr auf netzpolitik.org.
Auch weitere Vertreterinnen und Vertreter aus Zivilgesellschaft und Verbänden – darunter Amnesty International, der Humanistischen Union, dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), dem Verband der Internetwirtschaft (eco) und der Deutschen Vereinigung für Datenschutz – äußern sich kritisch zu den völlig unverhältnismäßigen Plänen und warnen vor einem „schlüsselfertigen Überwachungsstaat“.
- FIfF : https://blog.fiff.de/dobrindts-sicherheitspaket-palantir/
- Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR): https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuelles/detail/menschenrechtsinstitut-warnt-vor-risiken-beim-polizeilichen-einsatz-von-automatisierter-gesichtserkennung
Weiterführende Infos
- Altpapier-Kolumne des MDR zum Sicherheitspaket : https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-4274.html
- Heise-Artikel zur Funktionsweise von Palantir : https://www.heise.de/hintergrund/Missing-Link-Machtzentrale-Palantir-eine-Software-lenkt-Organisationen-10463034.html