LOAD e.V.

Pressemitteilung: Die BMI Cybersicherheitsagenda ist eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit

Die heute von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Staatssekretär Markus Richter vorgestellte Cybersicherheitsagenda ist eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit zu Lasten der Bürgerrechte. „Hinter sämtlichen noch so positiv klingenden aufgelisteten Vorhaben stecken höchst umstrittene sicherheitspolitische Maßnahmen“, so LOAD-Vorsitzende Ann Cathrin Riedel. „Wir finden hier eindeutige Hinweise auf das Brechen von Verschlüsselungen, die Quellen-TKÜ (den sogenannten Staatstrojaner), die Chatkontrolle, das Predictive Policing, automatisierte Gesichtserkennungen, die Nutzung von Schwachstellen, Hackbacks und noch viele andere höchst fragwürdige, grundrechtsmissbrauchende Praktiken wieder.“

Der Ministerin wurden die Wunschlisten der Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste in die Feder diktiert. Der erwartbar massiven Gegenwehr der grund- und freiheitsrechtsrechtsorientierten Zivilgesellschaft war man sich offensichtlich bewusst, sonst hätte das Papier auf jedwede Beschönigungen und vage Formulierungen verzichtet.

Der Vorstand von LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik erklärt: „Nach dem ermutigenden digitalpolitisch bürgerrechtsfreundlichen Koalitionsvertrag der Ampelkoalition droht diese Cybersicherheitsagenda nicht nur ein massiver Rückschritt zu werden, sondern auch eine Bankrotterklärung an eine progressiv ausgerichtete, evidenzbasierte Innenpolitik. Wir appellieren an die Bundesinnenministerin, sich der im Koalitionsvertrag postulierten Priorisierung der Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte verpflichtet zu fühlen.“ Der Vorstand verweist hier vor allem auf das Kapitel zu Freiheit und Sicherheit, in dem man sich zu einer „vorausschauende[n], evidenzbasierte[n] und grundrechtsorientierte[n] Sicherheits- und Kriminalpolitik“ bekannt hat.

Dort heißt es weiter: „Die Sicherheitsgesetze wollen wir auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen sowie auf ihre Effektivität hin evaluieren. Deshalb erstellen wir eine Überwachungsgesamtrechnung und bis spätestens Ende 2023 eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen auf Freiheit und Demokratie im Lichte technischer Entwicklungen. Jede zukünftige Gesetzgebung muss diesen Grundsätzen genügen.“ (S. 108). Hiervon ist im vorliegenden Papier nichts zu lesen.

Handwerklich ist das Papier ebenfalls von breiter Unkenntnis und Widersprüchlichkeit durchsetzt. So offenbart die Forderung nach acht bis zehn verschiedenen sektorspezifischen CERTs im Bereich der Kritischen Infrastrukturen eine peinliche Realitäts- und Praxisferne. So ist unter anderem die Komplexität innerhalb der einzelnen KRITIS-Sektoren, d.h. jeweils ganzer Wirtschaftszweige mitsamt der zugehörigen Zulieferindustrie in Interaktion mit öffentlichen Infrastrukturen, nicht so orchestriert, als dass man hier jeweils ein sektorspezifisches CERT irgendwo ansiedeln könnte. Auch bleiben die Verfasserinnen und Verfasser den Lesenden eine Erklärung schuldig, wie sie gleichzeitig die ZITiS und das BSI stärken möchten, die bereits heute Gegenteiliges bewirken sollen. Beispielsweise Schwachstellen melden und schließen (BSI) versus Schwachstellen kaufen, offenhalten und nutzen (ZITiS). Ein weiteres Beispiel ist, dass dem BKA das Brechen von Verschlüsselung erlaubt werden soll (Ermittlungsfähigkeiten und -instrumente des BKA und der BPol im Bereich Verschlüsselung) und man gleichzeitig Forschungsgelder für sichere Kommunikation und Post-Quanten-Kryptographie erhöhen möchte.

Die Cybersicherheitsagenda der Bundesinnenministerin ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist. Anstatt eine progressive, den Grundrechten verpflichtete innen- und digitalpolitische Vision zu verfolgen, verharrt sie in längst überkommenen Überwachungsphantasien und Logiken der Ewiggestrigen. Es ist erstaunlich, dass ihnen trotz einer neuen Regierungskonstellation und mit dem heutigen Wissensstand immer noch so viel Gehör geschenkt und politischer Einfluss verliehen wird.

LOAD besteht weiterhin auf die im Koalitionsvertrag zugesagte Überwachungsgesamtrechnung, die jeder sicherheitspolitischen Gesetzgebung vorgelagert sein soll.

LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik ist Denkfabrik und Interessenvertretung und fordert die aktuellen und zukünftigen Netzbürgerinnen und Netzbürger bei der Verwirklichung ihrer Grundrechte. LOAD will den gesellschaftlichen digitalen Wandel konstruktiv unterstützen.

V.i.s.d.P.G.: Ann Cathrin Riedel

Kontakt: vorstand@load-ev.de